CHOLUD KASSEM | al watan – vom Reisen und Ankommen

 02. Sept. – 01. Okt. 2022

„In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das naivste, eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner Sternenhimmel, ein Chaos von Formen, Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten.“ so schreibt Hermann Hesse in „Steppenwolf“.

Aber manchmal kann solch ein Sternenhimmel auch große Angst auslösen. Besonders, wenn man erst dreieinhalb Jahre alt ist, im Irak geboren, und sich unvermittelt in einem christlich geprägten Land wie Deutschland befindet. Ein Kulturcrash und dramatischer Identitätsverlust, bei dem wichtige Zugehörigkeiten zu Familie, Religion und Freund*innen, abrupt verloren gehen. Und man sich letztendlich als Kleinkind in einer Pflegefamilie in Viernheim, einem Kindergarten der Maria-Ward-Schwestern katholisch zwangssozialisiert wird oder sich gar in einem Kinderheim wiederfindet.

Heute ist Cholud Kassem eine anerkannte Künstlerin, die das Er- und Durchlebte in geheimnisvollen Chiffren malerisch aufarbeitet. Getragen von unterbewussten Impulsen entstehen fremdartige Seelendiagramme, erwachsen aus einem apotropäischen Kosmos, der als „Schutzlinge“, „Superkarmas“ oder „Pfeile“ nach außen drängt. Wie Synonyme der von Hesse beschriebenen Formen, Stufen und Zuständen verschiedener Lebenssituationen, aber auch Erbschaften und Möglichkeiten. „Erst jetzt schließt sich der Kreis!“, formuliert es die Künstlerin … Jahrzehnte später.

Mittlerweile vermag sie ihre Jahre in Viernheim bei strengen Pflegeeltern, den Exerzitien im Kindergarten und den Prügeln in einem Mannheimer Kinderheim, versöhnlicher entgegenzutreten.

Daraus entstand die Idee zu dieser Ausstellung, in der nicht nur ihre beeindruckenden malerischen Arbeiten gezeigt werden, sondern auch mithilfe von persönlichen Fotografien und Videos versucht wird, Bezüge in die anarchisch schmerzliche Identitätssuche der Künstlerin zu knüpfen. Und deshalb ist es auch naheliegend, dass die Ausstellung im Kunstverein Viernheim zu sehen ist.

Fritz Stier | Kunstverein Viernheim

Bernd Hennig | Uneindeutige Ungewissheit

Installationen | Skulpturen | Zeichnungen

Eröffnung: Freitag 14. Okt. 2022 | 19:00 Uhr

„Ich modelliere menschliche Figuren, die wie Akteure auf einer Bühne,
als Stellvertreter sozusagen, alltäglichen oder auch prekären Situationen
ausgesetzt sind. Meine Vorliebe für Modelle kommt vielleicht daher,
dass hier in einer Art Versuchsanordnung Handlungsmöglichkeiten
experimentell durchgespielt werden können.

Mein Interesse an kunstgeschichtlichen Konzepten und der Beziehung
von Wahrnehmung, Gegenstand und Sprache spielt bei der Entwicklung
der Arbeiten eine wichtige Rolle. Mit der Präsentation in einem
Ausstellungsraum treten meine Intentionen aber in den Hintergrund.

Die Modelle sind den Betrachtern und den Geschichten, die sie mitbringen
schutzlos ausgeliefert. In Zeiten von hybriden Wirklichkeiten,
unscharfen Grenzen und fließenden Identitäten teilen wir aber immerhin
diesen gemeinsamen Zustand der uneindeutigen Ungewissheit.“

Bernd Hennig

Eröffnung: Freitag 14. Okt. 2022 | 19:00 Uhr
Begrüßung: Fritz Stier | Kunstverein Viernheim
Einführung: Thomas Putze, Bildhauer
und Dr. Katrin Burtschell, Kunsthistorikerin,
im Gespräch mit dem Künstler

superart.tv | Eric Carstensen und Michael Volkmer | SCHWEIGEN STREUEN | 15.07. bis 13.08.

Eröffnung: Freitag 15. Juli. 2022 | 19:00 Uhr
Begrüßung: Fritz Stier | Kunstverein Viernheim
Einführung: Annika Wind | Freie Kulturredakteurin

Eric Carstensen & Michael Volkmer verstehen sich als Video- und Konzeptkünstler, die seit 1996 als das künstlerische Duo superart.tv zusammenarbeiten.
Ihre Installationen entstehen in Situ; das heißt sie reagieren auf den vorgefundenen Ort und entsprechenden Gegebenheiten. Oftmals entstehen dazu filmische Recherchen in der Umgebung, die in die Installation mit einbezogen werden.

Beim Entstehungsprozess ihrer Videoarbeiten beweisen die beiden einen untrüglichen Instinkt, Orte und Geschehnisse zu entdecken, aufzuspüren und in unkomplizierter Art und Weise zu ineinandergreifenden Werken werden zu lassen.
Sei es in einem leerstehenden Krankenhaus, das kurzerhand zum Filmset umgebaut wird oder beim heimlichen Filmen an einem Bankautomaten. Sie spielen Schach in einer öffentlichen Toilette oder lassen sich in eine Arrestzelle sperren. Beziehungsweise inszenieren sie sich mit seltsamen Schrifttafeln zwischen Bettlerinnen und Portraitzeichnerinnen für Touristen in Paris oder begleiten die Protagonist*innen ihrer Dokumentationen vom Aufwachen bis zum Einschlafen.