Sabine Kress

Sabine Kress
„Halleluja“

Eröffnung: 18. März um 19 Uhr

„Halleluja…“ ruft die Bordellbetreiberin, „endlich wieder Kundschaft!“ „Halleluja“ rufen die dort beschäftigten Huren, die sich dies von ihrer Chefin abgeschaut haben.
Sabine Kress ist vier Jahre lang in die Lupinenstraße, Mannheims vermutlich berühmteste Straße, gegangen. Sie hat Frauen getroffen, die dort ihre Arbeit verrichten, und Bilder gemacht. Bilder, die auf den ersten Blick ganz einfach und klar sind, die jedoch umso mehr Zweifel und Fragen aufwerfen, je länger man sie betrachtet. Kaum einmal sehen wir ein Gesicht (so war es mit den Beteiligten abgesprochen), nie erfahren wir von den Bildern etwas vom Sexualkontakt. der eigentlichen Arbeit. Dies wäre vermutlich nur in eindeutigen und bloßstellenden Bildern umzusetzen gewesen. Doch genau dies wollte Sabine Kress nicht. Als sie vor gut vier Jahren mit ihrer Arbeit begann, warf sie erst einmal ihre vermeintlichen Kenntnisse über Huren und Prostitution über Bord und begann neben dem Fotografieren, mit den Frauen zu reden. So erfuhr sie von der Last des Wartens, von dem überschaubaren Gewinn, von Altersschnitt und Besucherfrequenz, von Hygiene und Verzweiflung. „Um wieder anzufangen brauchst du nur ein paar Gummis, ´ne Zewarolle und ein Handtuch“ sagt eine der Huren im Gespräch. Sie hat ihr Männerbild an die Kundschaft angepasst und beklagt den vergehenden Stolz ihres Gewerbes.

Am Ende dreht sich aber alles um das Warten und die Träume. Das Warten der Frauen auf die Freier, das Warten, das kein Ende hat, sondern nach den 20 Minuten mit dem Freier aufs Neue beginnt. Die Träume der Freier, die sich in Internetforen über die Qualitäten der Huren austauschen, über ihre angeblich geile Natur, ihre ewige Lust, ihr Aussehen und ihre Zärtlichkeit.

Sabine Kress‘ Aufnahmen werden von dem Statement der Frauen perfekt ergänzt. Sie erzählen präzise und desillusioniert vom Alltag einer Spezialistin, die keinen Job wie jede andere hat und den Wandel des Gewerbes bemerkt. Durch diese Worte erhalten die in ihrer Farbigkeit warmen Bilder den notwendigen kalten Unterton, der Romantik als Illusion entlarvt und von der Kraft der Träume in uns allen erzählt.

Das erste Licht, das wir alle noch im Bauch der Mutter wahrnahmen, war rot. gefiltert von den Blutgefäßen und der Haut. Dieses Rot benutzt das Milieu, weil es uns in Kombination mit den dargebotenen körperlichen Reizen in eine gespannte Behaglichkeit zu versetzen vermag. Diese Ausstellung ist an der Oberfläche warm und erzählt mit einer spürbaren Wärme von den Protagonistinnen. Doch wer genau hinsieht und sich nicht vom Schein blenden lasst. entdeckt eine todtraurige kleine Welt, deren Hoffnung es ist. aus ihr entrinnen zu können.

Thomas Schirmböck (ZEYPHYR – Raum für Fotografie) 2010